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Transscendental-Photographien

Psychische Studien. Monatliche Zeitschrift, vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens gewidmet. XXVI. Jahrg. Monat November 1899. 1. Abtheilung. Historisches und Experimentelles. Weiteres zur Erklärung der Transscendental-Photographien. Berichtet von Dr. W. Hotz.


Seitens des Herausgebers und Verlegers dieser Zeitschrift erging an mich, nach Erscheinen der im vorigen Heft gebrachten Transscendental-Bilder, die Bitte, für das November- Heft zwei oder vier der interessantesten Bilder jener Collection zu bezeichnen, um diese zunächst dem geehrten Leserkreis zur Begutachtung vorzulegen, und jedem Bilde einige erklärende Worte Text beizufügen. Ich wählte nun vier derselben aus, die mir insofern am wichtigsten erscheinen, als sie am besten den Vorgang bezüglich der allmählichen Entwickelung dieses interessanten transscendentalen Kunststückes seitens der Jenseitigen darzuthun im Stande sind und dem Forscher bestimmte Schlüsse zu ziehen erlauben über die Frage: ob hierbei irgend welche betrügerische Manipulationen eine Rolle spielten oder nicht.
Bild V stellt z. B. die erste Aufnahme dar, die hei der zweiten Sitzung am 16. Januar Ibül erzielt wurde (wovon die zweite in der vorigen Nummer der „Psych. Stud.“ als erstes Bild bereits erschien). Beide Aufnahmen wurden von mir hinteieinander, ohne dass irgend eine der anwesenden Personen ihren Platz verliess, aufgenommen und beanspruchten nur so viel Zeit, als zur Belichtung und zum Plattenwechsel erforderlich ist; im äußersten Falle etwa drei Minuten.
Auf jenem Bilde (Nr. I, Heft X) erscheint die nebelhafte Gestalt auf der einen Seite scharf abgeschnitten, gerade als ob bei der Aufnahme der Schieber der Cassette vielleicht nicht ganz herausgezogen worden wäre, und in Folge dessen auch das Bild sich nicht ganz markirte. Die eigenthümliche Lichterscheinung jedoch, welche bei der erstmaligen Exposition zu Stande kam (Bild V), zeigt jene scharfe Abgrenzung, aber gerade auf der entgegengesetzten Seite, trotzdem der Schieber jener Cassette nur nach einer Seite hin geöffnet werden konnte.
Das nächste Bild VI ist insofern besonders bemerkenswert, als bei dieser Aufnahme noch einige andere Herren als Kritiker zugegen waren. Der eine von diesen stellte dabei einen zweiten photographischen Apparat auf, um den geeigneten Moment zu einer Controllaufnahme zu benutzen; leider aber war dieser Herr ungeübt in der photographischen Technik und führte dieser Umstand zum Misslingen des Bildes. Da auf das Medium alle sogenannten wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden verstimmend wirkten (wohl weil hierbei die nöthige Seelenharmonie fehlt), so war die natürliche Folge : eine nur lichtschwache nebelhafte Gestalt an Stelle der früher bereits so gut gelungenen, während auf der zweiten Blatte gar nichts Ungewöhnliches zu sehen war. Da das Medium von dem bevorstehenden Besuch seitens jener fremden Herren keine Ahnung hatte, so ist auch nicht anzunehmen, dass diese Aufnahme, um die „Echtheit“ glaubwürdiger erscheinen zu lassen, absichtlich so schlecht bewirkt worden sei. 
Über die mögliche Entstehungsweise dieser Bilder vernahm ich nun schon mancherlei Meinungen, aber noch nicht zwei miteinander übereinstimmende Ansichten.
Herr Universitätsmechaniker Eug. Albrecht in Tübingen sagte, nach gewissenhafter Prüfung der Bilder, wie mir Herr Prof. Dr. Maier mittheilt, dass — wie ich ja selbst andeutete — doppelte Belichtung stattgefunden habe. Gerade der fluide Arm auf Bild ill, der ein wenig als Lichtfleck über das Medium hereinragt, sei für den Kenner der unzweifelhafteste Beweis, dass zuerst eine helle (weisse) Gestalt auf der Platte war, auf welche dann das Medium photographirt wurde, eben deshalb schimmere der weisse Arm des Phantoms etwas durch. Bei Bild 11 seien die Finger der Hand, die auf eine ausgeschnittene oder ausgestopfte Puppe hinweisen und mit einer menschlichen Hand gar keine Ähnlichkeit hätten, im höchsten Grade verdächtig.*

*Auf dem Originalbild kann man, abgesehen von anderen Merkzeichen, deutlich die Stelle erkennen, weiche den Knochenvorsprung des Ellbogenbeim s am Ilaudwurzelgelenk markirt, so dass vsohl kaum ein Zweifel vorliegt, dass wir es mit einem normalen Handgebilde und nicht blos mit einer ausgestopften Puppe zu thun haben.

 

Ein berühmter Physiologieprofessor erklärte sich nach flüchtiger Ansicht der Abdrücke dahin, dass man die Platten wohl absichtlich durch irgend eine geschickte Manipulation unmittelbar vor der Aufnahme oder nachher in der Dunkelkammer vertauscht habe. 
Allerdings deuten verschiedene Einzelheiten auf stattgehabte doppelte Belichtung; aber in meinem Brief vom 6. September d. J. an Herrn Prof. Dr. Maier erklärte ich ja ausdrücklich, dass weder von einem betrügerischen Vertauschen der Platten mit vorher belichteten die Rede sein kann, noch dass diese selbst, ohne mein Wissen etwa, vorher exponirt worden sein können. Eine solche Manipulation erfordert zudem technische Kenntnisse der Photographie und müsste mit besonderem Geschick vorgenommen worden sein, d. h. erhebliche Schwierigkeiten hätten dabei überwunden werden müssen:
1) Das Siegel an der Cassette,
2) Geschicktes Einstellen des Apparates,
3) Beobachtung der richtigen Expositionszeit,
4) die künstlerische Fähigkeit, ein Phantomgebiide genau nach den Proportionsverhältnissen menschlicher Formen nachzubilden (wie bei Bild II u. III) oder
5) wie auf Bild VII, eine Lichtgestalt zu produciren, deren eine Ausstrahlung (Arm) allmählich nebelartig verläuft, während, wie bei Bild III, die übrige Gestalt zweifellos auf einen menschlichen Ursprung hindeutet.
Dass bei Bild II und III die Hand eine anscheinend schlechte Form aufweist, liegt wohl lediglich an ungünstiger Belichtung und mangelhafter Entwickelung der betr. Platten, und erinnere ich nur daran, wie ungern Berufs-Photographen die Hände ihrer Clienten auf dem Bild sehen, eben weil diese so schwer in eine vortheilhafte Stellung zu bringen sind!
Am deutlichsten erkennt man eine angeblich vorausgegangene „Doppel-Belichtung“ auf Bild VIII. Hier erkennt man nur eine lichte Gestalt, während vom Medium, das doch auf einem Sessel sass, so gut wie nichts zu sehen ist. — Wie ist es zu erklären, dass man den Verlauf der dunklen Dielen des Bodens deutlich erkennt, während die hellere Gestalt des Mediums, Kleid und Schürze desselben, fast gänzlich unsichtbar sind? Nach dem physikalischen Vorgang der Photographie müsste auf dem dunklen Bild des Fussbodens bei einer nachfolgenden zweiten Belichtung das hellere Kleid des Mediums entsprechend lichtere Eindrücke auf derselben Platte hervorrufen, was aber hier nicht der Fall war. Ich möchte daher sehr geneigt sein, anzunehmen, dass wir es bei diesen Bildern mit einer transseendentalen, nicht physikalischen doppelten Belichtung zu thun haben. Und in der That entwickelte ich ja einmal, zur Probe, zwei von mir nicht belichtete Platten, die aber einige Tage unter Siegel sich in den Händen des Mediums befanden, wobei auf jeder derselben deutliche Lichterscheinungen zum Vorschein kamen. — Ich bedauere daher, dass ich den Wunsch des Herausgebers dieser Zeitschrift: eines jet.er Bilder zuerst zu bringen, leider zu spät erfuhr, doch hoffe ich, dass auch jene, wie der Best der ganzen Serie, den Lesern der „Psych. Studien“ noch zur Beurtheilung vorgelegt werden können. Gerne hätte ich zu jedem einzelnen Bilde eine eingehendere Erklärung beigefügt, unter welchen Umständen dieselben entstanden, wie auch das Für und Wider beleuchtet; aber ich will absichtlich das Urtheil Jener nicht allzusehr beeinflussen, denen diese Aufnahmen zu Gesicht kommen und die eine prüfende Kritik daran üben sollen. So räthselhaft nämlich für mich der nähere Vorgang bezüglich der Entstehung dieser Bilder an sich auch ist, so fest steht in mir die Überzeugung, dass von absichtlichen betrügerischen Manipulationen von dritter Seite hierbei nicht die Rede sein kann; denn nicht nur einige, sondern alle näheren Umstände sprechen dagegen. —
Zwecks Beweisführung genügt es aber nicht, dass ich einfach den Hergang bei jenen Aufnahmen erzähle, sondern vor Allem die Entwicklungsgeschichte derselben bringe, d. h, mittheile, wie sich nach und nach immer vollkommenere Resultate ergaben. Eine absolute Beweisführung wird zudem auch hierbei wohl kaum gelingen, denn, wie bei allen medialen Vorgängen, sind auch diese nur wirklich überzeugend, wenn man entweder selbst dabei war, oder den Augenzeugen resp. Theilnehmern (hier vor Allem Medium und Photograph) volles Vertrauen schenken kann.

 

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